Einsamkeitskampagnen: Gut gedacht, schlecht umgesetzt

In den letzten drei Jahren begegnen mir immer wieder Kampagnen „gegen Einsamkeit“. Die Absicht dahinter ist großartig: mehr Verbundenheit zwischen Menschen schaffen und die soziale Gesundheit fördern.

Doch die Umsetzung bzw. das Framing von „Einsamkeit“ ist, meiner Meinung nach, zum Teil katastrophal und empfinde ich als abstoßend, obwohl das Gegenteil gewollt ist.

Warum Einsamkeit ein Tabu ist

Einsamkeit ist in unserer Gesellschaft in Deutschland ein großes Tabu, verbunden mit Scham. Fakt ist: „knapp 68 Prozent der Befragten zwischen 18 und 39 Jahren geben an, sich häufig, manchmal oder selten einsam zu fühlen“, laut Einsamkeitsreport 2024 von der Techniker Krankenkasse.

Doch warum ist das so?

  • Individuelles Versagensnarrativ: In unserer Leistungsgesellschaft wird Einsamkeit oft als persönliches Scheitern gedeutet. Wer keine Freunde oder Partner hat, „muss etwas falsch gemacht haben“.
  • Verwechslung mit Alleinsein: Viele setzen Einsamkeit mit „keine Kontakte haben“ gleich. Dabei kann man auch in einer Partnerschaft oder mitten in einer Gruppe einsam sein.
  • Negatives Label: Schon das Wort „einsam“ wirkt abschreckend. Kaum jemand möchte sich selbst so bezeichnen.
  • Soziale Abwehrhaltung: Wer seine Einsamkeit zugibt, konfrontiert andere mit ihrer eigenen Verletzlichkeit – und die reagieren oft mit Schweigen oder Abwertung.
  • Kulturelle Prägung in Deutschland: Hierzulande dominiert das Ideal der Stärke und Unabhängigkeit. Einsamkeit passt nicht in dieses Selbstbild.
  • Fehlendes Wissen: Einsamkeit hat viele Formen und kann jeden treffen. Doch solange dieses Wissen fehlt, halten sich Vorurteile und Stigmatisierungen.

Warum negative Formulierungen nicht funktionieren

Wenn Kampagnen Einsamkeit als Begriff verwenden oder es negativ formulieren, wir „gegen etwas“ darstellen, passiert Folgendes:

  1. Die wenigsten Personen möchte sich damit identifizieren.
  2. Menschen fürchten, was andere über sie denken könnten.
  3. Die Botschaft erreicht genau die nicht, die sie eigentlich erreichen sollte.

Solange soziale Gesundheit so unattraktiv vermarktet wird, verpuffen Millionen an Steuergeldern in öffentlichen Projekten und Kampagnen. Warum? Weil Entscheidungen von Menschen getroffen werden, die zu weit weg vom Thema sind – und weil gutes Marketing fehlt. Statt echte Expertise einzubeziehen, wird wohl oft nach dem Motto gehandelt: „Wir wissen es schon am besten.“

Gutes Marketing muss den Elefanten im Raum nicht benennen. Doch das verstehen leider die wenigsten. Deswegen sind meine Initiativen, IRL Communities mit Fokus auf Connections und Freundschaften, genau deshalb erfolgreicher, weil sie von der breiten Masse angenommen werden. Wir kommunizieren nicht „Einsamkeit“, wir kommunizieren das schöne Ergebnis, den Mehrwert.

Beispiele für misslungene Kampagnen

1. Der Einsamkeitsreport der Bundesregierung
Ein wichtiges Projekt, aber schlecht umgesetzt. Statt sich am australischen Social Connection Report zu orientieren, der visuell stark, zugänglich und inspirierend ist, entstand eine Textwüste mit ein paar unattraktiven Grafiken.
Frage: Wer soll das lesen? Und wie soll so die breite Bevölkerung für mehr soziale Verbundenheit begeistert werden?

Deutschland Einsamkeitsreport

2. EXIT Einsamkeit – Wir sagen Nein zu Einsamkeit
Ein Projekt mit tollen Ansätzen und wertvollen Beiträgen. Doch schon der Titel wirkt abschreckend. Die aktuelle Kommunikation lautet:

„Einsamkeit ist ein Tabu – doch das ändern wir jetzt! Bis November läuft das multimediale Projekt EXIT EINSAMKEIT. Sei dabei!“

Motivierender wäre jedoch ein Perspektivwechsel:

„Verbundenheit wünschen sich viele Menschen – auch in deiner Nachbarschaft! Bis November läuft das multimediale Projekt Mehr Verbundenheit zur Förderung von sozialer Gesundheit. Sei dabei!“

Mein Fazit als Experte für soziale Gesundheit und Freundschaften

Kampagnen gegen Einsamkeit sind wichtig, aber sie müssen positiv, nahbar und motivierend kommuniziert werden. Es reicht nicht, das Tabu nur zu benennen. Wir brauchen Bilder, Worte und Erzählungen, die Lust machen, Teil von mehr Gemeinschaft und sozialer Gesundheit zu werden. Solange in den Köpfen der entscheidenden Personen die Denkweise „gegen Einsamkeit“ herrscht, müsste ich mich als „Experte gegen Einsamkeit“ positionieren, um gefunden zu werden und unterstützen zu können, anstatt „Experte zur Förderung von Verbundenheit und sozialer Gesundheit.“

Wie würdest du Kampagnen „gegen Einsamkeit“ vermarkten? Schreibe es mir gerne per E-Mail oder auf LinkedIn.

Herzlich
Gerrit


👉 Die weiteren Artikel auf meinem Blog beleuchten Themen rundum Einsamkeit, Freundschaften und Communities in Deutschland. Stets mit dem Fokus auf die Generation Z und Y und innovativen Lösungen.


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Gerrit Dokter ist Experte für soziale Innovation, IRL-Communities und Einsamkeitslösungen. Ansäßig in München entwickelt er wirkungsvolle Strategien gegen Einsamkeit – speziell für die Generationen Z und Y. Als Social Entrepreneurs, Berater und Speaker verbindet er wissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischen Lösungen, die echte zwischenmenschliche Nähe fördern. Wenn er nicht gerade die Zukunft von Freundschaften erforscht, teilt er sein Wissen über soziale Verbundenheit, kuratiert transformative IRL-Erlebnisse oder tüftelt an Projekten, die Menschen nachhaltig zusammenbringen.

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Quellen: